Mitgliedertreffen in Dresden vom 13. bis 15. Oktober 2006
Das vergangene Mitgliedertreffen führte zum zweiten Mal seit Gründung der Gesellschaft in die Metropole Sachsens, in der Carl Maria von Weber von 1817 bis zu seinem allzu frühen Tode 1826 als Operndirektor und Kapellmeister wirkte.
Im Rahmen der Feierlichkeiten zum 800jährigen Jubiläum der Stadt Dresden und anläßlich des 150. Geburtstages der Hochschule für Musik, die den Namen des Komponisten trägt, fanden gleich zwei offzielle Veranstaltungen statt, die für die Mitglieder von Interesse waren und somit in das Programm des Treffens integriert wurden: Zum einen der Hochschulwettbewerb Dirigieren, dessen Finalkonzert besucht werden konnte, zum anderen ein Symposium zum Thema „Carl Maria von Weber – der Dresdner Kapellmeister und der Orchesterstil seiner Zeit“, dessen Vorträge in der Aula der Musikhochschule zu hören waren.
Die musikalische Eröffnung des Symposiums am Freitagnachmittag gestalteten Studenten der Hochschule: die Sopranistin Linda Stahl und der Tenor Jun-Heyk Cho interpretierten vier Lieder von Weber, u. a. Der Jüngling und die Spröde op. 47/4 und Mille volte, mio tesoro op. 31/1, begleitet wurden sie von der Pianistin Minji Kim. Nach den Grußworten von Prof. Dr. Stefan Gies, dem Rektor der Hochschule, Prof. Dr. Frank Heidlberger und Prof. Dr. Manuel Gervink, dem Leiter des Dresdner Instituts für Musikwissenschaft und Organisator des Symposiums, folgte der Eröffnungsvortrag von Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Peter Gülke aus Berlin über „Utopien und Realität einer deutschen Nationaloper“.
Das Symposium war in drei Sektionen unterteilt. Die beiden Vorträge der ersten Sektion mit dem Schwerpunkt „Weber und das Dresdner Kulturleben“ von Dr. Till Gerrit Waidelich aus Wien und Prof. Dr. Michael Heinemann aus Dresden fokussierten recht unterschiedliche Themen aus Webers Dresdner Umfeld. Herr Waidelich resümierte über die Oper eines Mitglieds vom Dresdner Sängerensemble, nämlich die Bürgschaft von August Mayer, indem er das Werk mit anderen musikdramatischen Adaptionen der Schiller-Ballade verglich; Herr Heinemann beleuchtete in seinen Ausführungen das Verhältnis zwischen Weber und seinem angeblichen Gegenspieler Francesco Morlacchi, das in der Literatur oft überspitzt negativ dargestellt wird.
Im Anschluss an die Vorträge präsentierte Prof. Dr. Joachim Veit mit Hilfe von PC und Videobeamer die Funktionen und Benutzung der in Zusammenarbeit von Weber-Gesamtausgabe und Edirom-Projekt entwickelten Dokumenten- und Personen-Datenbanken, die unentbehrliche Hilfsmittel für die digitale Edition darstellen.
Am Samstagmorgen pilgerten vor der Fortsetzung des Symposiums einige Mitglieder unter Führung von Frau Dr. Capelle und Herrn Prof. Heidlberger zum Alten Katholischen Friedhof, um dort einen von den Brüdern Haack gestifteten Kranz anläßlich Webers 220. Geburtstages und 180. Todestages auf seinem Grab niederzulegen.
Die Sektion 2 des Symposiums am Samstagvormittag befasste sich mit „Weber als Hofkomponist, Kapellmeister und Organisator“. Dr. Irmlind Capelle referierte über „Webers Jubel-Kantate“, zum Regierungsjubiläum von König Friedrich August I. 1818 auf ein Gedicht von Friedrich Kind komponiert. Im Vortrag von Herrn Veit über „Weber als Kapellmeister“ ging es v. a. um die Probleme Webers bei der Einrichtung eines deutschen Singspiels bzw. einer deutschen Oper in Dresden. Thematisch eng daran anschließend wurde von Frank Ziegler „Webers Probenarbeit an der Dresdner Oper“ näher betrachtet und der von Weber im allgemeinen durchgeführte Probenablauf erläutert. Den Vormittag beschloss der Vortrag von Dr. Ortrun Landmann aus Dresden, die die Zusammenarbeit des Kapellmeisters Weber und der Kgl. Sächsischen Musikalischen Kapelle als „ein beiderseitiges Geben und Nehmen“ definierte.
In der dritten Sektion am Samstagnachmittag waren Webers Orchesterstil im Kontext der Zeit und Rezeptionsfragen Inhalte der Vorträge. Prof. Dr. Klaus Aringer aus Graz erläuterte das „Neue und Ergreifende“ von „Webers Orchesterbehandlung im Spiegel von Instrumentationslehren des 19. Jahrhunderts“, u. a. bei Berlioz und A. B. Marx. Um „das Verhältnis zwischen musikalischem Text und Aufführungspraxis“ anhand analysierter Strukturen in Webers Klarinettenwerken kreiste der Beitrag von Prof. Dr. Frank Heidlberger. Abschluss des Symposiums bildeten die Ausführungen von Dr. Felix Purtow aus Leipzig über „Weber und St. Petersburg und einige Aspekte der Weber-Rezeption“ bis 1850.
Das traditionelle gemütliche Beisammensein der Mitglieder der Gesellschaft fand ab 19.00 Uhr im Kuppelrestaurant der Yenidze statt. Die Räumlichkeiten des über zwei Etagen angelegten Restaurants in der ehemaligen Dresdner Zigarettenfabrik, die von 1907-1909 vom Architekten Martin Hammitzsch erbaut und im Stil einer großen orientalischen Moschee gestaltet wurde, gewährten einen faszinierenden Rundblick auf das nächtliche Elbflorenz. Die Speisekarte bot eine Auswahl schmackhafter sächsischer und internationaler Gerichte mit so wohlklingenden Namen wie „Kalifenschmaus“ oder „Beduinenbrot“.
Der Sonntagmorgen begann gegen 9.30 Uhr mit der Besichtigung des Carl-Maria-von-Weber-Museums in Dresden-Hosterwitz, das sich in dem Häuschen befindet, welches Weber und seiner Familie mehrfach als Sommerdomizil diente (vgl. Weberiana 16, S. 5ff.). Das Museum verfügt über eine Auswahl historischen Mobiliars, Gemälde und Reliquien rund um Weber, u. a. eine Kopie der Totenmaske und des Elfenbein-Taktstocks, und beherbergt eine vor 1957 von Franz Zapf, dem damaligen Leiter des Museums für Geschichte der Stadt Dresden, konzipierte Dauer-Ausstellung mit Dokumenten zu Webers Leben und Werk. Im Vortragsraum fand um 10.30 Uhr die Mitgliederversammlung statt, bei der auch die neue Museumsleiterin Dorothea Renz anwesend war. Interessierte konnten während des Aufenthaltes im Museum einen Blick in das 1836 von Friedrich Wilhelm Jähns angelegte Gästebuch werfen, das, lange in Privatbesitz, 2005 bei der Auktion Stargardt für das Museum wieder erworben wurde und in dem sich neben zahlreichen anderen Eintragungen auch der Name von Carl Gustav Carus findet. In dessen Pillnitzer Landhaus, in dem sich heute ein Restaurant, das Parkcafé Pillnitz eingerichtet hat, führte die Mitglieder das anschließende Mittagessen.
Solveig Schreiter
Am Sonntag, dem 15. Oktober 2006 fand der Hochschulwettbewerb Dirigieren, veranstaltet von der Rektorenkonferenz der Musikhochschulen der Bundesrepublik Deutschland, den in diesem Jahr die Dresdner Musikhochschule „Carl Maria von Weber“ vom 7.-15. Oktober ausrichtete, seinen Abschluss mit einem Nachmittags-Konzert der Finalisten samt anschließender Preisverleihung; Ort der letzten Runde war das Haus der Landesbühnen Sachsen in Radebeul. Erstmals wurde in Zusammenhang mit diesem Wettbewerb ein spezieller Carl-Maria-von-Weber-Preis ausgelobt, den unsere Gesellschaft stiftete und der möglichst auch in Zukunft im Zusammenwirken der Gesellschaft mit der Dresdner Hochschule vergeben werden soll – Grund genug für die nach Dresden gekommenen Mitglieder, die öffentliche Finalentscheidung zu besuchen.
Von den 21 Wettbewerbsteilnehmern waren acht für die zweite Runde ausgewählt worden, aus der sich wiederum drei für das Finale qualifizierten: Ulrich Kern (*1977 in Stuttgart) von der Hochschule für Musik „Franz Liszt“ Weimar, Kohske Tsunoda (*1980 in Aichi/Japan) von der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ Berlin und Johannes Witt (*1985 in Hamburg) von der Hochschule für Musik Köln. Zu den Pflichtstücken der beiden ersten Runden hatten Kompositionen von C. M. von Weber, jeweils eine Komposition des 20. Jahrhunderts und ein sinfonisches Werk aus dem klassischen Repertoire gehört. Spielte in den Vorrunden das Dresdner Hochschulorchester, so musste nach den Wettbewerbs-Regeln in der Finalrunde ein Berufsorchester zur Verfügung stehen, in diesem Fall das Orchester der Landesbühnen Sachsen.
Das Trompetenkonzert von Bernd Alois Zimmermann war für das Abschlusskonzert als modernes Werk ausgewählt worden – sein dreimaliges Erklingen unter Leitung der drei Dirigenten ermöglichte einen direkten Vergleich zwischen den Kandidaten und wurde zugleich durch die beiden großartigen Solisten Giuliano Sommerhalder und David Jarquín zu einem fesselnden Erlebnis. Es folgten Sinfonien von Beethoven (Nr. 4), Haydn (Nr. 104) und Mozart (Jupiter-Sinfonie), die Stärken und Schwächen der Wettbewerbsfinalisten vielleicht noch stärker deutlich werden ließen.
Die Jury, die sich unter Vorsitz von Prof. Ekkehard Klemm, Dresden, aus Dirigier-Professoren deutscher Hochschulen zusammensetzte (von der Weber-Gesellschaft war zusätzlich Prof. Dr. Gerhard Allroggen aus unserem Beirat als Juror benannt worden), hatte eine schwere Entscheidung zu treffen. Wäre lediglich das Finale entscheidend gewesen, hätte ohne Frage Kohske Tsunoda der 1. Preis gehört, dem eine geschlossene, absolut überzeugende Interpretation der Haydn-Sinfonie gelang. Der Beethoven unter Ulrich Kern konnte am wenigsten überzeugen; die Mozart-Interpretation von Johannes Witt zeigte besonders im langsamen Satz Schwächen. Doch waren auch die vorhergehenden Runden und die Proben in die Wertung einbezogen, und so urteilte das Gremium salomonisch: Ein erster Preis wurde nicht vergeben, zwei 2. Preise (gestiftet von der Herbert von Karajan Stiftung bzw. der Weber-Gesellschaft) gingen an Ulrich Kern und Kohske Tsunoda. Johannes Witt, der als jüngster Teilnehmer zwar noch nicht mit technischer Perfektion, aber doch mit einem ganz erstaunlichen dirigentischen und musikalischen Potential beeindrucken konnte, erhielt einen Förderpreis (gestiftet von der Ostsächsischen Sparkasse).
Der Weber-Preis (ebenfalls von der Weber-Gesellschaft finanziert), der anhand der Weber-Interpretationen in den Vorrunden (Ouvertüre und Max-Arie aus dem Freischütz bzw. Ozean-Arie der Rezia aus dem Oberon) ermittelt worden war, ging an Ulrich Kern, der zum Abschluss die Freischütz-Ouvertüre dirigierte. Dass die Interpretation in dieser Situation weder klanglich noch hinsichtlich der Tempi preiswürdig geriet, war absolut verzeihlich – das gewaltige (physische wie psychische) Pensum, das Orchester wie Dirigenten in diesem Konzert-Marathon zu bewältigen hatten, forderte von allen Beteiligten seinen Tribut.
Die Dresdner Musikhochschule lud anschließend Preisträger, Jury-Mitglieder und Gäste (darunter auch die Mitglieder der Weber-Gesellschaft) zu einem kleinen Empfang im oberen Foyer des Theaters, bei dem der Dresdner Rektor Prof. Dr. Stefan Gies noch einmal allen Beteiligten seinen Dank aussprach und der Hoffnung Ausdruck verlieh, dass die so gut begonnene Zusammenarbeit mit der Weber-Gesellschaft eine baldige Fortsetzung erfahren möge. Für die Gesellschaft war die Beteiligung am Wettbewerb eine gelungene Möglichkeit, einem ihrer besonders wichtigen Satzungsziele – der Förderung junger Künstler – gerecht zu werden; dass die Veranstaltung zudem eine große Resonanz in den Medien fand, war ein angenehmer Nebeneffekt, konnten wir so doch unsere Tätigkeit auch einer breiteren Öffentlichkeit präsentieren.
Frank Ziegler