Jahresversammlung 2003

Mitgliedertreffen in Stuttgart, 24.-26. Oktober 2003

Mit Stuttgart war für die Mitgliederversammlung der Internationalen Weber-Gesellschaft ein Ort gewählt worden, der sich chronologisch an die Aufenthalte des Komponisten in Breslau und im oberschlesischen Carlsruhe – Gegenstand des vorjährigen Treffens – anschloss. Nachdem Weber im Februar 1807 Carlsruhe verlassen und in mehreren Städten, darunter Ansbach, Erlangen, Bayreuth und Nürnberg, konzertiert hatte, traf er am 17. Juli mit einem Empfehlungsschreiben seines vormaligen Gastgebers Herzog Eugen Friedrich, Bruder des Königs von Württemberg, in Stuttgart ein, wo er von Mitte August 1807 bis Februar 1810 bei Herzog Ludwig von Württemberg, ebenfalls Bruder des Königs, als „geheimer Sekretär“ und Hauslehrer angestellt war. Dieser biographische Zeitraum sollte auch im Rahmen der diesjährigen Zusammenkunft berücksichtigt werden.

Für die Veranstaltungen bot das „City-Hotel“ in der Uhlandstraße, in dem der überwiegende Teil der Mitglieder untergebracht war, einen günstigen Ausgangspunkt. Den Auftakt bildete am 24. Oktober abends der Besuch des Stuttgarter Staatstheaters mit Mozarts Entführung aus dem Serail, ein Werk, das Weber besonders schätzte und das von ihm 1818 äußerst sorgfältig für die Dresdener Oper vorbereitet und danach öfter dirigiert wurde. Die ausgezeichnet musizierte Stuttgarter Aufführung in der Inszenierung von Hans Neuenfels hatte ihren besonderen Reiz in einer singspielgerechten Aufteilung der jeweiligen Rollen auf Sänger und Schauspieler.

Am Beginn des nächsten Tages stand die Mitgliederversammlung im Vortragssaal der Landesbibliothek Stuttgart. Im Anschluss konnten Interessenten einige Weberiana aus der Musiksammlung der Bibliothek besichtigen, die von Herrn Dr. Eberhard Zwink, Leiter der Abteilung Alte und wertvolle Drucke, vorgestellt wurden. Zu den Objekten gehörten u. a. die von Weber nach Stuttgart übersandte Kopie des Freischütz, frühe Abschriften der Euryanthe und des Oberon aus dem Besitz des Stuttgarter Hoftheaters, Theaterzettel sowie Bearbeitungen von Webers „Turnierbankett“ JV 132, die die lokale Rezeptionsgeschichte illustrieren.

Es folgte eine informative Führung durch Stuttgart mit dem Historiker Herrn Harald Schukraft, der inzwischen auch zu den Mitgliedern der Weber-Gesellschaft zählt. Nach einem Gang durch den Oberen Schloss- und den Akademiegarten, wo sich früher das Gebäude der Hohen Carlsschule befand, wurden u. a. das Neue Schloss, das Alte Schloss, heute Württembergisches Landesmuseum, die nach den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg mit neuen Ergänzungen wiedererrichtete Stiftskirche und der Schillerplatz mit dem Schiller-Denkmal von Thorvaldsen besichtigt. Im alten Schloss erläuterte Herr Schukraft an einem Stadtmodell die Standorte von zum größten Teil nicht mehr erhaltenen historischen Weber-Stätten – dem ehemals in der Nähe des Neuen Schlosses gelegenen Theatergebäude, dem Stuttgarter Palais von Herzog Ludwig sowie dem Stadtoberamt.

Am Nachmittag fand im Hauptstaatsarchiv eine gemeinsame Veranstaltung mit dem Geschichts- und Altertums-Verein Stuttgart statt. Dr. Joachim Veit hielt einen Vortrag zu Webers Aufenthalt in Württemberg, dessen Erschließung sich – da Tagebuchaufzeichnungen für diesen Lebensabschnitt fehlen – besonders schwierig gestaltet. Bereits der Titel, das auf diese Periode bezogene Zitat Webers „Ich entsagte also eine Zeitlang der Kunst als ihr unmittelbarer Diener […]“ verweist auf dessen besondere Situation in Stuttgart. Dr. Veit referierte über Webers Anstellung und seinen Aufgabenkreis, der ihn in seiner Sekretärstätigkeit mit dem üppigen Lebensstil und den hohen Verschuldungen des Herzogs konfrontierte, verwies aber auch auf die vielfältigen Anregungen durch seine Stuttgarter Freunde, unter ihnen Franz Danzi und Franz Carl Hiemer und auf die nicht unbeträchtliche Zahl seiner in „Nebentätigkeit“ entstandenen Kompositionen, zu denen Lieder, eine Reihe von Klavierwerken, die Vollendung des Klavierquartetts, die Kantate „Der erste Ton“ sowie die Umarbeitung des Stummen Waldmädchens zur Oper Silvana gehörten. Besonders im letzten Teil des Vortrags, der sich mit Webers finanziellen „Unregelmäßigkeiten“ und der sich daraus ergebenden Prozessgeschichte befasste, wurden zahlreiche Akten der Staatsarchive Stuttgart und Ludwigsburg und des Stadtarchivs Stuttgart ausgewertet und die Gründe dargelegt, die letztlich zu Webers Arretierung im Stadtoberamt und am 26. Februar 1810 zur Ausweisung aus Württemberg führten.

Mit dem inzwischen schon traditionell gewordenen abendlichen Beisammensein der Mitglieder fand der Tag in der Weinstube „Schellenturm“ mit der beziehungsreichen Adresse Weberstraße 72 seinen Ausklang.

Für Sonntag, den 26. Oktober, gab es noch die Möglichkeit der Teilnahme an einer Führung durch die ehemalige Residenzstadt Ludwigsburg, die den Mitgliedern durch Herrn Herbert Rommel, historisch fundamentiert und mit zahlreichen Anekdoten amüsant angereichert, nahegebracht wurde. Hier konnte zunächst eine Vielzahl von Räumen des Schlosses, das zu den größten noch erhaltenen deutschen Barockschlössern gehört, besichtigt werden. Besonderes Interesse galt dem Schlosstheater mit seinen technischen Einrichtungen aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, die auch heute noch verwendet werden.

Der anschließende Spaziergang führte durch den historischen Stadtkern mit seinen rechtwinklig angelegten Straßen und zweigeschossigen Häuserfronten, vorbei am Geburtshaus Eduard Mörikes sowie an dem 1727 erbauten Gebäude des heutigen Ratskellers, das ab 1797 Herzog Ludwig von Württemberg als Wohnung diente. Bei Aufenthalten in Ludwigsburg dürfte Weber hier verkehrt haben. Auf dem schönen Marktplatz endete das erlebnisreiche Wochenende. Für die freundliche Kooperation bei dessen Gestaltung möchten wir allen Stuttgarter Partnern – der Württembergischen Landesbibliothek, dem Hauptstaatsarchiv sowie dem Geschichts- und Altertums-Verein Stuttgart – unseren herzlichen Dank sagen. Besonders gedankt sei unserer Vorsitzenden Dr. Irmlind Capelle, die durch umsichtige Vorbereitung wesentlich zum Gelingen der Veranstaltungen beigetragen hat.

Dagmar Beck