Jahresversammlung 1996

Weber-Fest in Darmstadt (November 1996)

Anlass für die Carl-Maria-von-Weber-Gesellschaft, ihre diesjährige Jahreshauptversammlung in Darmstadt abzuhalten, war ein von dem Darmstädter Pianisten Peter Schmalfuss initiiertes, von der Stadt gefördertes Weber-Festival, das dort in der Zeit vom 1. bis 10. November 1996 veranstaltet wurde. In insgesamt vier Konzerten erklangen Werke Webers, deren verschiedene Entstehungszeiten und Genres ein breites Kompositionsspektrum vermittelten.

Beim Eröffnungskonzert am 1. November in der Bessunger Orangerie spielte Peter Schmalfuss von Weber die Klaviersonate C-Dur, op. 24 (JV 138), das Rondo brillant „Aufforderung zum Tanze“ op. 65 (JV 260) sowie den ersten Satz aus der Sonate A-Dur, op. 39 (JV 199). Auch neben Klavierwerke von Beethoven gestellt (u. a. erklang an diesem Abend die Appassionata, op. 57), offenbarten diese Kompositionen ihre Eigenständigkeit und dürften das Interesse für das Webersche Sonatenschaffen geweckt haben.

Am 3. November konnte man in der Johanneskirche Webers selten aufgeführte Messe Es-Dur (JV 224), die sogenannte „Freischütz-Messe“ aus dem Jahre 1818 hören. Diese gelungene Aufführung des Werkes unter Leitung der Kantorin Ute Süß war nach dem Stimmenmaterial der im Rahmen der Weber-Gesamtausgabe in Vorbereitung befindlichen Neuausgabe einstudiert worden. Ausführende waren der Chor der Johanneskantorei, Mitglieder des Staatstheaterorchesters Darmstadt sowie die Solisten Doris Brüggemann (Sopran), Adelheid Peper (Alt), Andreas Wagner (Tenor) und Thomas Wiegand (Bass). In diesem Konzert gab es eine anregende Verknüpfung mit Felix Mendelssohn Bartholdys 1843 entstandener Vertonung des 98. Psalms „Singet dem Herrn ein neues Lied“. Im Mittelteil erklang ein uns bereits aus Dieter Klöckers Einspielung der Bläserkonzerte mit dem Consortium Classicum bekanntes Concertino C-Dur für Oboe und Bläser mit dem Oboisten Kazimierz Dawidek. Obwohl Klöcker auf die noch nicht endgültig geklärte Autorschaft Webers hinwies, wird das Werk im Programmheft eindeutig Carl Maria von Weber zugeschrieben. Der Höreindruck hinterließ eher Zweifel an dieser Zuordnung.

Das Konzert vom 8. November, abermals in der Orangerie, brachte ausschließlich Webersche Kompositionen. Es vereinte drei besonders bekannte Kammermusikwerke: Das Grand Duo concertant Es-Dur, op. 48 (JV 204), dargeboten von dem Klarinettisten Andgai Maevski und Peter Schmalfuss, das Trio für Klavier, Flöte und Violoncello g-Moll, op. 63 (JV 259) mit Peter Schmalfuss, Klavier, Steffen Petri, Flöte, und Dieter Panke, Violoncello, sowie das vom Darmstädter Ensemble Carolina musizierte Klarinetten-Quintett B-Dur, op. 34 (JV 182).

Parallel zu diesen Veranstaltungen lief im Rahmen des Weber-Festivals im wiedererrichteten Alten Theater (Haus der Geschichte) eine Ausstellung zu Webers Darmstädter Zeit. Joachim Veit hatte – zum großen Teil mit Leihgaben aus der Musikabteilung und der Theatersammlung der Landes- und Hochschulbibliothek Darmstadt sowie aus dem Hessischen Staatsarchiv – eine Vielzahl von Dokumenten zu Webers Aufenthalt und seinen Beziehungen zu Darmstadt zusammengetragen und mit ausführlichen Kommentaren versehen, so dass hier eine komplexe Darstellung dieses Themenkreises und – über die bereits bekannten Tatsachen hinaus – auch neue Ergebnisse vorgelegt wurden.

Den Schwerpunkt bildeten Webers Arbeiten während seines Unterrichts bei Georg Joseph Vogler, verbunden mit einem Rückblick auf die Unterrichtszeit 1803/04, und die Beziehungen zu seinen Mitschülern Giacomo Meyerbeer und Johann Gänsbacher während des Darmstadt-Aufenthalts vom 4. April 1810 bis 14. Februar 1811. Anschauliches Material gab es zu seinen mit Darmstadt verbundenen Kompositionen, zu denen vor allem die Oper Abu Hassan, die Six Sonates progressives JV 99–104 und das mit großem Erfolg 1811 in Darmstadt aufgeführte Duett Se il mio ben JV 107, aber auch die Vollendung des Klavierkonzerts C-Dur JV 98 zählen. Für Webers 1809 entstandene Sinfonie C-Dur JV 50 konnte durch die Arbeiten an der Weber-Gesamtausgabe der Nachweis erbracht werden, dass die Überarbeitung für den Druck in Darmstadt erfolgte.

Auch Webers spätere Kontakte zu Darmstadt wurden ausführlich behandelt, so sein Besuch von 1817, sowie die Aufführungen seiner Opern in Darmstadt, die eng mit den Beziehungen zu dem kunstinteressierten Großherzog Ludewig I. verknüpft waren, dem er sämtliche Partituren seiner Opern persönlich nach Darmstadt übersandte.

Eine Rarität anderer Art war die Ausstellung der Urmatrizen zu Carl Reinhard Krügers Weber-Medaille von 1825. Es handelt sich um eine Leihgabe von Dr. Gunter Quarg, Köln, der vor wenigen Jahren diese Original-Präge-Werkzeuge entdeckt hatte (vgl. Weberiana 4/1995, S. 89-90). Sie konnten hier erstmals – zusammen mit einer Kopie der originalen Medaille aus der Weberiana-Sammlung der Berliner Staatsbibliothek – besichtigt werden.

Dem Thema Carl Maria von Webers Darmstädter Zeit gewidmet war auch ein Vortrag, den Joachim Veit vor dem Verein Alt Darmstadt am 6. November im Hotel „Bockshaut“ hielt. Mit einem Einblick in das Darmstädter Kulturleben der damaligen Zeit verband Joachim Veit hier eine Beschreibung der Voglerschen Unterrichtsmethode und seines Schülerkreises: Weber, Gänsbacher und Meyerbeer. Bei der Arbeit an der Gesamtausgabe der Briefe konnten neue Erkenntnisse über die Tätigkeit des Ende September 1810 gegründeten Harmonischen Vereins gewonnen werden, dessen Impulse zu dieser Zeit von Darmstadt und – in der Person Gottfried Webers – von Mannheim ausgingen. Offenbar war das Ausmaß an Pressepublikationen der Mitglieder weitaus größer, als bisher angenommen. Noch wenig erforschte Beziehungen zu Darmstädter Persönlichkeiten, wie zu dem Hofkammerrat und späteren Finanzminister August Hofmann und zu dem Darmstädter Hofkapellmeister Georg Mangold verweisen auf die Kreise, in denen Weber gesellige Stunden verbringen konnte.

Alles in allem widerlegte der Vortrag Webers eigene Aussage von dem langweiligen Darmstadt (Brief an Gottfried Weber vom 10. April 1810). Er zeigte, dass der Komponist neben dem finanziellen Erfolg, der ihm durch die künstlerische Aufgeschlossenheit Ludewig I. beschieden war, und neben den wichtigen Anregungen, die er aus Voglers Unterricht für sein weiteres Schaffen gewinnen konnte, auch hier Freunde und Geselligkeit fand, so dass ihm die Stadt wichtig genug war, sie nicht nur als Reiseziel, sondern für einen vorübergehenden festen Aufenthalt zu wählen. Der Vortrag und eine Dokumentation der Ausstellung sind – hg. von Joachim Veit und Frank Ziegler – im Verlag Hans Schneider, Tutzing erschienen.

Dagmar Beck